Bündnis 90/Die Grünen – RV Oberbarnim/Eberswalde
Antrag zur Beschlussfassung
Die Mitgliederversammlung des Regionalverbandes Oberbarnim beschließt:
Positionen zur Bebauung Friedrich-Ebert-Straße-Süd (FES-Süd)
Klare städtebauliche, soziale und ökologische Kriterien für eine Bebauung definieren
Einem evtl. notwendigen Verkauf städtischer Flächen zur Realisierung einer Bebauung des Standortes FES-Süd stimmen wir nur zu, wenn die nachfolgenden Kriterien verbindlich in einem städtebaulichen Vertrag festgehalten sind.
Bündnis 90/Die Grünen fordern, dass die Stadt Eberswalde für den Standort FES-Süd städtebauliche, soziale und ökologische Kriterien für eine Bebauung definiert. Diese Kriterien sind öffentlich an mögliche Bauherr*innen zu kommunizieren und verbindlich im Bebauungsplan sowie in einem städtebaulichen Vertrag zu vereinbaren, sobald es zur Aufstellung eines B-Planes kommt.
Projekt durch Bürgerversammlung begleiten
Für den gesamten Prozess der Bebauung fordern wir eine intensive öffentliche Diskussion und die Begleitung nach dem Konzept der Bürgerversammlung (repräsentative Zufallsauswahl Eberswalder Bürger*innen, die den gesamten Prozess begleiten).
Bündnis 90/Die Grünen stimmen einer Bebauung am Standort FES-Süd nur zu, wenn folgende Kriterien erfüllt werden:
Identitätsstiftende Architektur
Die Bebauung soll das Erscheinungsbild der Innenstadt deutlich aufwerten und innovative wie identitätsstiftende Akzente setzen, die zugleich ökologisch und sozial nachhaltig wirken. Als gestalterisches Element sollte eine Parzellierung erkennbar sein. Eine Bebauung durch verschiedene Bauherren soll ebenfalls möglich sein, sofern diese einem stimmigen Gesamtkonzept folgt.
Schaffung hoher Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum
Eine durchgehende Blockbebauung des Standorts lehnen wir ab. Wir wollen durch eine aufgelockerte Bebauung öffentliche Plätze, Nischen und Grünanlagen mit hoher Aufenthaltsqualität schaffen, die zum Bleiben einladen. Zwischen HNEE-Bibliothek und Lückenschluss soll eine attraktive Grünfläche entstehen und insgesamt sollte 1/3 der Gesamtfläche Grünfläche bleiben. Die Ecke Puschkinstraße/Ebertstraße ist Stadtbild prägend zu bebauen. Die Flächennutzung sollte sich aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen an folgender Skizze orientieren:
Ökologisches Bauen sichern
Die Bebauung des Areals soll ökologisch Vorbildcharakter haben. Hierzu gehören eine klimapositive Bauweise, Nutzung/Erzeugung erneuerbarer Energien, Nutzung nachhaltiger Baumaterialien, umfassende Dach- und Fassadenbegrünung. Die Gestaltung der Baukörper und Grünanlagen soll nach dem Konzept der Schwammstadt erfolgen, um Regenwasser lokal zurückzuhalten, das Stadtklima zu verbessern und Stadtbäume besser mit Wasser zu versorgen.
Belebende Nutzung und soziales Miteinander fördern
Die Bebauung soll eine vielfältige Nutzung ermöglichen und die Innenstadt beleben (Wohnen, Einzelhandel, Gastronomie, Gewerbe und Gemeinbedarfseinrichtungen).
Für Handel und Gastronomie sollen individuelle Angebote das Ziel sein, die die Vielfalt und Qualität im Innenstadt-Einzelhandel bereichern und die zugleich möglichst wenig durch den Online-Handel bedroht sind. Das Citymanagement und das Stadtmarketing sollten sich gezielt dafür einsetzen inhabergeführte, kleinteilige Geschäfte am Standort anzusiedeln. Ziel sollte eine unverwechselbare Innenstadt sein. Baulich sind langfristig flexible Ladenzuschnitte zu gewährleisten, um Nachnutzungen mit veränderten Bedürfnissen zu ermöglichen.
Die Stadt soll alle Chancen nutzen, um Nutzungen zu fördern, die innovative Geschäftsmodelle mit sozial-ökologischen und regionalwirtschaftlichen Konzepten ermöglichen.
Die Schaffung von öffentlichem Parkraum für PKW innerhalb der Baukörper am Standort FES-Süd lehnen wir ab.
Die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum ist für uns ein zentrales Element der Daseinsvorsorge. Daher sind mindestens 30 Prozent des insgesamt entstehenden Wohnraums im sozialen Wohnungsbau zu fördern. Auch die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für Student*innen sowie altersgerechte oder generationenübergreifende Wohnformen begrüßen wir.
Verkehrsberuhigung in der Friedrich-Ebert-Straße
Bündnis 90/Die Grünen fordern einen verbindlichen Fahrplan für die Umwandlung der Friedrich-Ebert-Straße in eine verkehrsberuhigte Zone und eine entsprechende bauliche Umgestaltung des Straßenraums. Dafür brauchen wir schlüssige Konzepte für den Liefer-, Anwohner*innen-, Bus-, Rad- und Fußverkehr. Eine Bebauung der FES-Süd muss konform mit diesem Ziel erfolgen.
Wenn sich eine Bebauung nach o.g. Kriterien am Standort FES-Süd absehbar nicht umsetzen lässt, treten wir dafür ein, die Grünfläche in einem partizipativen Prozess umzugestalten, um sie ökologisch und ästhetisch aufzuwerten.
Begründung
Die Eberswalder Innenstadt nimmt wichtige Versorgungsfunktionen für die Gesamtstadt und für das Umland wahr (Einzelhandel, Verwaltung, Dienstleistungen, Kultur u.a.). Trotz Digitalisierung: 90 % der Umsätze im Einzelhandel werden noch immer im stationären Handel erzielt. Handel und Gastronomie bleiben die wichtigsten Leitfunktionen auch der Eberswalder Innenstadt.
Ziele bündnisgrüner Kommunalpolitik sind eine nachhaltige Stadtentwicklung und eine attraktive Innenstadt, die den o.g. Versorgungsfunktionen gerecht wird. Unser Ziel bleibt eine bunte, vielfältige, vitale, verkehrsberuhigte Innenstadt mit einer hohen Aufenthaltsqualität für die Eberswalder Bürgerinnen und Bürger und für unsere Gäste.
Trotz ihrer Leitfunktion werden Handel und Gastronomie allein in Zukunft immer weniger Magnet für die Innenstadt sein. Daher brauchen wir Räume und Gelegenheiten, wo sich Menschen begegnen können, kommerzielle wie nicht-kommerzielle (Gastronomie, Freizeit, Dienstleistungen, Events, Kunst & Kultur, Bildung…). Bündnis 90/Die Grünen wollen daher Ideen fördern, die die Innenstadt über Handel und Gastronomie hinaus attraktiver machen. Hierzu halten wir es für geboten, unabhängig von einer Bebauung der FES-Süd, die städtischen und privaten Institutionen/Akteure zu stärken, die sich professionell oder ehrenamtlich darum kümmern, wie z.B. das Stadtmarketing, Händlervereinigungen, Kulturinitiativen u.a..
Die Friedrich-Ebert-Straße ist die historisch gewachsene Hauptachse für den kleinteiligen Einzelhandel in Eberswalde mit dem größten Entwicklungspotential. Eine Bebauung entspricht den stadtplanerischen Grundlagen (Einzelhandelskonzept/ Fortschreibungen u.a.), die bisher von Bündnis 90/Die Grünen in den Kernpunkten mitgetragen wurden.
Entscheidend ist es, Zielkonflikte bestmöglich zu lösen, vor allem in der Umsetzung konkreter Vorhaben wie der Bebauung der FES-Süd.
Regionale Kaufkraft stärker im Eberswalder Einzelhandel zu binden, gelingt vor allem, wenn die Innenstadt und auch die Zentralen Versorgungsbereiche Finow und Westend an Attraktivität gewinnen und raumplanerische Grundsätze durchgesetzt werden. Auf die Entwicklung der Innenstadt legen wir als Wirtschaftsstandort, Kultur- und Sozialraum sowie als Identifikationsort für die Gesamtstadt und für das Umland einen besonderen Schwerpunkt.
Der Handel in Brandenburgs Innenstädten ist aufgrund komplexer Ursachen deutlich unterrepräsentiert. Viele Städte haben zu viele dezentrale Handelsflächen erlaubt, die i.d.R. durch große Handelsketten genutzt werden. Dadurch gerieten viele Innenstädte in einen Abwärtsstrudel aus Frequenzverlusten, Leerstand, Verödung, der durch den zunehmenden Online-Handel verschärft wird. Eberswalde wirkt diesen Tendenzen – bei allen Problemen – erfolgreich entgegen und sollte das auch weiterhin tun. Dies ist auch wirtschaftlich geboten, weil wir dadurch stabile mittelständische Wirtschaftsstrukturen und eine bessere Verteilung von Einkommen und Vermögen fördern.
Das Branchenmixkonzept 2019 weist für die Innenstadt Einzelhandelspotentiale in bisher unterrepräsentierten Sortimenten wie Sport, Freizeit, Bekleidung, Gesundheit, Gastronomie von rund 4.000 m² aus, die vorrangig am Standort FES-Süd realisiert werden sollen.
In der FES dominieren inhabergeführte Geschäfte, 22 Prozent der Geschäfte sind Filialen überregionaler Ketten. Branchenmix: 44 % Nonfood, 37 % Dienstleistungen, 16 % Food/Gastro, wenige Geschäfte mit „Trading Down-Charakter“ (Restpostenmarkt). In der FES sind Leerstand und Fluktuation in den letzten Jahren gesunken.
Empirische Untersuchungen zeigen, dass verdichtete, vielfältige und lebendige Innenstädte in historisch gewachsenen Stadtstrukturen von den Menschen als attraktiver bewertet werden als Innenstädte, die ihre gewachsene Stadtstruktur verloren haben. Die Nichtbebauung der FES-Süd senkt als Funktionsunterbrechung die Kundenfrequenz im westlichen Teil. Eine Aufhebung dieser Funktionsunterbrechung kann die Attraktivität der Geschäftsstraße steigern, mit positiven Effekten für angrenzende Bereiche. Eine Bebauung kann somit bei entsprechender Gestaltung die Ziele der Innenstadtentwicklung fördern und entspricht den Planungen der Stadt. Hierbei ist auf eine zentrumsbelebende Mischnutzung und auf überwiegend kleinteilige und individuelle Angebote in Einzelhandel und (Außen)Gastronomie mit hoher Qualität zu achten.
Zudem erscheint es sinnvoll, die Entwicklung der Friedrich-Ebert-Straße stärker zu fördern, weil dies in der Breiten Straße aufgrund der ungelösten Verkehrsprobleme absehbar nicht möglich sein wird.
Die Belegung einzelner Geschäfte ist politisch kaum zu steuern. Die Kommunalpolitik sollte die beteiligten Akteure jedoch wann immer möglich unterstützen, die Potentiale im Einzelhandel auszuschöpfen sowie regional/lokal verankerte Nutzungskonzepte im sozial-ökologischen Bereich zu fördern.
Eberswalde, den 05.10.2020