Gestern Abend fand an der gewohnten Stelle in Zepernicks „Leo´s Restauration“ wieder der Grüne Bürgerstammtisch des Regionalverbandes Niederbarnim statt und hatte sich diesmal des Themas „Länderehe Berlin-Brandenburg“ vorgenommen.
Es handelt sich hierbei um ein spannendes Thema – vom Brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck abgelehnt – von der Wirtschaft gewünscht. Ein Thema, das durchaus Synergieeffekte verspricht, aber auch viele Befindlichkeiten und Anti-Reflexe auslöst.
Als Gäste durften wir unsere Landtagsabgeordnete Marie-Luise von Halem – nunmehr schon zum 3. Mal seit Wiederbelebung des Niederbarnimer Bürgerstammtischs – begrüßen und den stv. Vorsitzenden des Vereins Perspektive Berlin-Brandenburg e.V, Herrn Wolf Burkhard Wenkel (Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau in Berlin u. Brandenburg e.V.).
In einem Einführungsreferat, das Marie-Lusie von Halem zum Thema hielt und aus dem neben einer Darstellung des politischen Umfeldes und Synergieeffekte verschiedener Politikfelder wurde deutlich, dass seitens der Brandenburgischen Bündnisgrünen nach wie vor die klare Beschlusslage aus dem Jahr 2003 gilt, die eine Länderehe befürwortet.
Die positive Stimmung im Lande für eine Länderehe in den Jahren 2003/ 2004 sei nicht genutzt worden und Matthias Platzeck habe eigentlich Alles getan, um die politische Diskussion erfolgreich niederzuhalten.
Kooperationen finden aktuell auf der Basis von Verwaltungsabkommen statt. Im übrigen gäbe es im politischen Raum auch die eine oder andere Befindlichkeitsstörung, die sich dann bei der Kooperationsbereitschaft – zum Beispiel in der Frage der gemeinsamen Nutzung von JVA-Haftplätzen – niederschlägt.
Marie-Luise von Halem machte vor allem auch deutlich, dass sie eine öffentliche Debatte im Parlament zu den Formen der Zusammenarbeit der Länder und weg möchte von Kooperationssabkommen, die im stillen Kämmerlein abseits parlamentarischer Kontrolle auf der Verwaltungsebene ausgehandelt werden.
Nach Marie-Luise von Halem stellte Wolf Burkhard Wenkel die Aktivitäten des Vereins Perspektive Berlin-Brandenburg vor.
Hierbei handelt es sich um eine Initiative zahlreicher Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik, die sich die Förderung des Länderehe auf ihre Fahnen geschrieben hat.
Herr Wenkel machte deutlich, dass es das Hauptproblem dieses Projektes sei, dass die Vorteile einer Fusion sich im politischen und wirtschaftlichen Bereich abspielten, dagegen die Menschen vor Ort wenig oder gar keine unmittelbar spürbaren Vorteile sähen oder hätten.
Es fehlt an dem mitreißenden Moment – mitreißenden Signalen von Seiten der Politik, die aus der Frage ein viel diskutiertes „Projekt“ macht.
Damit wäre es aber schwierig, bei einer Volksabstimmung die Menschen ins Boot zu bekommen.
Der vor einer Zeit öffentlich diskutierte Weg, zur Umgehung dieses Problems die Notwendigkeit einer Volksabstimmung aus der Verfassung zu streichen, wurde einhellig abgelehnt. Was dabei heraus käme, über die Köpfe der Bürger hinwegzuwalzen, zeigen die Proteste zum Beispiel gegen das Projekt Stuttgart 21.
Aus diesem Grund habe es sich der Verein Perspektive Berlin-Brandenburg e.V. das Bemühen auf die Fahnen geschrieben, z.B. durch Präsenz und Überzeugungsarbeit vor Ort – bei der freiwilligen Feuerwehr, beim Sportverein im fernen Brandenburg – den Boden einer positive Stimmung für das Projekt zu bereiten.
Die beim gescheiterten Versuch einer Länderehe im Jahr 1996 viel diskutierte Frage der unterschiedlich hohen Verschuldung stellt sich aus Sicht von Marie-Luise von Halem und Wolf Burkhard Wenkel als nachrangiges Problem dar, weil die Berliner Schulden der kreisfreien Stadt Berlin zugeordnet werden könnten.
In der nachfolgenden Diskussion wurde neben dem Blick auf die Panketaler Probleme beim Ausbau der nordöstlichen A10 aufgrund getrennter Planungen von Berlin und Brandenburg als Folge der organisatorischen Teilung dann auch deutlich, dass es bei der individuellen Abwägung der Bürger in der Frage „was bringt´s – was kostet mich das“ durchaus Menschen gibt, die diese Frage für sich mit einer Negativbilanz abwägen.
Zum Beispiel Menschen, die bei einem Erfolg des Referendums möglicherweise einen verlängerten Arbeitsweg oder den Verlust des Arbeitsplatzes zu befürchten hätten.
Für ihrer Stimme für eine Länderehe würden sie – selbst bei voller berzeugung hinsichtlich der Nützlichkeit des Projektes – gegen ihre eigenen persönlichen Interessen stimmen.
Wie sollen die Menschen dazu bewegt werden, trotz persönlicher Nachteile für das Projekt zu stimmen?
Marie-Luise von Halem verwies zwar auf Negativerfahrungen im Land Brandenburg, wo rücksichtslose Umsetzungen von Lehrern eine statistische Erhöhung der Krankheitsquoten nach sich gezogen haben soll. Nun ja – soll aber das Land darauf verzichten, die Dienstkräfte dort einzusetzen, wo sie gebraucht werden?
Das kann doch auch nicht im Sinne des Steuerzahlers der richtige Weg sein! Diese Frage gehört auf jeden Fall sorgsam bearbeitet.
Es wurde auch deutlich, dass die Identitätsfrage bei Fusionen eine ganze wichtige emotionale Rolle spielt. Politik sollte diese Frage auf alle Fälle abkoppeln von der politischen Frage der Fusion.
Ein Brandenburger bleibt Brandenburger – ein Berliner bleibt Berliner… gleichgültig, ob sie in einem oder zwei Bundesländern wohnen.
Nähme man den Menschen in dieser Frage nicht ernst, schürte man eine Antistimmung, die mit Blick auf eine Volksabstimmung kontraproduktiv wäre.
Mein persönliches Fazit des Abends:
Es war eine spannende Diskussion. Viel Inhalt, mehr Argumente, die im Rahmen eines kurzen Abrisses darstellbar wären, viel Stoff zum nachdenken. Das Thema wird die Politik in Berlin und Brandenburg sicherlich noch lange beschäftigen.
Ökonomische Zwangslagen würden das Projekt vermutlich in ihrer Kraft des Faktischen vorantreiben. Unter den jetzigen Voraussetzungen wird es aber sehr schwer!
Damit ist es wohl günstig, das Machbare zu machen – das unmöglich erscheinende zu lassen und tatsächlich zukünftig die Kooperationsabkommen auch im Parlament zu debattieren, um das Demokratiedefizit zu heilen.
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