Offener Brief syrischer Flüchtlinge aus Eberswalde

Nach den erschreckenden Ereignissen am Silvesterabend  in Köln wanden sich in Eberswalde lebende  syrische Flüchtlinge mit dem folgendem Brief an ihre Mitbürger.  Im Anschluss an den Brief finden Sie noch einige Anmerkungen und Erläuterungen des Übersetzers des Schreibens, Marwan Hassan.

Eine Stellungnahme der syrischen Flüchtlinge in Eberswalde

„Wir als syrische Flüchtlinge wollen unser Entsetzen über die Taten zur Silvesternacht durch überwiegend Migranten vom Arabischen Maghreb zum Ausdruck bringen. Wir wollen Ihnen sagen, dass wir schätzen wie Sie uns in die Arme genommen habt, trotz aller Schwierigkeiten. Es tut uns bitter leid, was den Frauen an dieser Silvesternacht geschehen ist. Ihre Schwestern sind unsere Schwestern und ihre Mutter und Töchter sind wie unsere Mütter und Töchter. Wären wir dabei hätten wir diese Täter mit allem was uns an Kraft zur Verfügung steht gestoppt.

Als die Welt uns ablehnte während wir vom Krieg geflohen sind und von der Ablehnung anderer Länder, europäische und arabische, waren Sie diejenigen die uns großzügig empfangen habt und die Tore und Häuser geöffnet habt. Sie haben uns wie Familie behandelt und uns die Last des Schreckens vom Krieg abgenommen durch Liebe und Gastfreundlichkeit. Wie dann sollte es anders sein, als dass wir dazu eilen Ihre Frauen, Kinder und Schwachen zu helfen?!

Wir wissen, dass wir aus verschiedenen Kulturen und Traditionen stammen und dass die Freiheiten insbesondere die persönliche Freiheit hier eine hohe Stellung hat. Wir schätzen diese und zollen dieser Einstellung jeden Respekt. Letztendlich ist es Ihre Einstellung welche Sie dazu bewegte uns zu helfen. Wir wissen dass auch unter uns es mit Gewissheit schwache Persönlichkeiten mit falschem Herzen gibt, wie es in jeder Menschengruppe auch ist. Aber wir alle, selbst die schwächsten Persönlichkeiten unter uns, sind durch diese Ereignisse verekelt und entsetzt.

Und zu diesen die hier nicht friedlich zusammenleben wollen und die dieses gute Volk welche sie großzügig empfangen hat nicht respektieren sagen wir, dass sie ausreisen sollen. Es ist besser für die Einheimischen und für die friedlichen Flüchtlinge, die in dieser noblen und wertvollen Gesellschaft einbringen wollen.

Und so wollen zugleich wir in dieser Stellungnahme Ihnen zwei Sachen versprechen.

Erstens:

Wir versprechen, dass wir keine Mühe scheuen und unser allerbestes tun, um Deutsch zu lernen, dass wir wirksame und produktive Bürger in Ihrem Land werden, dass wir helfen werden eine Zukunft zusammen aufzubauen. Wir bringen unsere Erfahrungen und lernen von Ihrer Kultur und Erfahrungen. Wir wollen unsere Gedanken und Ideen mit Ihnen austauschen.

Zweitens:

Wir versprechen, dass wir die ersten sind, die Kriminalität über Überschreitungen ablehnen. Wir beobachten uns selbst und wollen die ersten sein, die solche oder irgendwelche andere Taten unterbinden.

Wir haben gesehen, was kein Auge sehen soll durch Krieg, Zerstörung und Vernichtung. Wir sind diejenigen die am meisten darauf achten friedlich und freundlich zusammen zu leben.

Danke für Ihre Gastfreundschaft, sie ist uns ein Vorbild und ein Vorbild für die Welt um uns.“


Liebe Freude,

bevor ich euch den Brief unserer Syrer übersetze, möchte ich einiges dazu schreiben.

Es ist also geschehen, die Tat(en) die alle Menschen zu Recht erschrocken haben. Und doch müssen die Dinge beim Namen genannt werden. Die absolute Mehrheit der Köln-Täter sind nicht pauschal Nordafrikaner, wie in den Medien verallgemeinert wird sondern aus dem Arabischen Maghreb. Das sind Marokko, Algerien und Tunesien.

Ich habe in den Niederlanden gelebt und gearbeitet und meine Frau ist aus Belgien. Die Gewaltkirminalität aus Migranten aus diesen Ländern, insbesondere aus Marokko und Algerien ist dort Allgegenwärtig. Nicht anders ist es in Frankreich. Dies ist natürlich keine Pauschalisierung, denn aus diesen Ländern kommen auch große Denker und Künster, aber es wäre gelogen, wenn man das Phänomen einfach verschweigt. Es gibt hierfür verschiedene Erklärungen.

Zum einen existieren in Europa tatsächlich patriarchalische Gettos, in denen Regeln herrschen die selbst in den Ursprungsländern nicht mehr existieren. Dies ist nicht unbedingt ein arabisches maghrebinisches Phänomen. Solche „archaische“ Traditionen können bei vielen Kolonien weltweit beobachtet werden. Auch etwa deutsche Kolonien in Latein-Amerika, oder das Afrikaans welches ein altes Niederländisch ist aus Südafrika usw.

Es liegt also nahe, dass bei Gettobildungen die Migranten an alte Gebräuche verstärkt halten und dies über längere Dekaden behalten. Ähnliches berichten auch türkische Touristen über türkische Viertel in Deutschland.

Ein weiteres Problem welches ich persönlich erkenne ist, dass im Maghreb viele junge Leute kein Arabisch sprechen und so ihren Glauben und die Argumentationen diesen zu begründen nur aus Mythologien kennen. Jegliche Primärquelle ist ihnen verschlossen. Viele von ihnen sprechen nur Französisch oder Berberisch.  Dazu kommt die Perspektivlosigkeit, Armut, Bildungsferne usw.

Doch die Ursachen legitimieren nicht die Taten. Für den Deutschen sind es „die Muslime“ und „die Migranten“. Das ist auch nicht verwerflich. Nicht jeder muss einen Geist haben, der soweit differenzieren kann, um einen Tunesier von einem Algerier zu unterscheiden. Es ist nunmal so, alle Menschen neigen dazu zu verallgemeinern.

Für die Syrer und anderen Flüchtlinge ist es als Betroffene dieser Verallgemeinerung etwas anders. Sie sehen diese Täter nicht aus ihren Reihen, auch wenn einzelne Syrer selbstverständlich Schandtaten vollbringen können und tun.

Aus diesem Kontext heraus, habe ich mit nicht wenigen Syrern intensive Gespräche gehabt in denen wir die Korrelation von Islam, Orient, Gewalt, Sexualdelikte u.a. diskutiert haben.

Es ist nur natürlich, dass viele von ihnen in die Defensive gehen, denn sie sehen sich selbst nicht als schuldig und verabscheuen ebenso wie jeder Einheimische was geschehen ist. Gleichzeitig wollen sie wollen ihren Unmut über die scheußliche Taten zum Ausdruck bringen ohne ihre eigene Ehre zu verletzen. Das kann man vielleicht nicht auf Anhieb verstehen. Aus der Perspektive der jungen Syrer und allerdings der meisten Muslime, nimmt man wahr, dass man sich für jeden Terrorakt in der Welt entschuldigen muss. Man muss sich rechtfertigen, öffentlich distanzieren, es dementieren und deutlich machen, dass man so was nicht will. Man muss ständig und dauerhaft „politisch korrekt“ sein. Dies wobei weder unsere jungen Syrer noch andere Muslime in der Welt tatsächlich für die Anschläge Verantwortung tragen, da sie daran weder beteiligt waren noch diese bejubeln. Diese Wunde ist am Beispiel dieses Schreibens hier unten zu sehen. Obwohl in dem Schreiben kein einziges Mal eine Entschuldigung vorkommt, sagte einer in der Runde, dass sie sich in dem Brief zu oft entschuldigen. Erst als ich ihn fragte wo und er es mehrfach durchlas, entschuldigte er sich und sagte, dass er gelesen hat, was er erwartet hat.

Nichtsdestotrotz finde ich eine Auseinandersetzung der Syrer und gerne auch andere Flüchtlinge mit dem Thema sehr wichtig, denn gerade in diesen Diskussionen kann man ihnen die Denkweisen, Erwartungen und Ängste der Einheimischen vermitteln, auf die man eingehen muss, wenn man doch friedlich zusammen leben will.

In der Diskussion habe ich also vorgeschlagen, dass sie einen gemeinsamen Brief formulieren, in dem die Syrer hierzu Stellung nehmen können. Von den vielen Notizen die wir gemacht haben, habe ich einen Draft zusammengefasst. Danach haben wir bis nach Mitternacht es diskutiert, hier und da versendet, gemassaged, geändert und angepasst. Das ist auch essentiell wichtig, denn es geht hierbei um die Emotionen und Gedanken der Syrer selbst. Das ging dann so lange weiter, bis alle einer Version zusagten und hinter dieser standen.

Heute haben wir den Brief ausgedruckt und die eifrigen jungen Syrer aus der Diskussionsrunde sind durch die Heime gegangen und haben diesen den weiteren Syrern vorgelesen und nahezu alle stehen hinter dessen Aussagen. Es sind bis 12 Uhr ca. 150 Unterschriften gesammelt und ich gehe davon aus, dass es mehr werden.

Also Gut, somit wisst ihr wie dieser zustande gekommen ist und nun möchte ich ihn euch übersetzen.  Allerdings ist die Arabische Sprache in der Ausdruckskraft ziemlich stärker und poetischer als Deutsch, ich bitte dies beim Lesen zu berücksichtigen.

Heute Abend im runden Tisch sind einige Syrer auch dabei und dann können wir diesen gerne auch als Thema einbringen.

Für hier verabschiede ich mich und der Brief folgt unten

Marwan

15. Januar 2015

 

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